Seit 20 Jahren begeistert der Missio Chor mit seinen Liedern und Rhythmen
Sie singen in fünfzehn afrikanischen Landessprachen - von Twi über lgbo, Kiswahili und Lingala bis zu Sesotho und Zulu - und das auswendig. 165 Titel aus 17 verschiedenen Ländern haben sie in ihrem Repertoire.
Wenn sie Gottesdienste musikalisch gestalten oder Benefizkonzerte geben, dauert es nicht lange, bis sie das Publikum mit ihren Liedern und Rhythmen angesteckt haben.Selbst wer keine enge Beziehung zu afrikanischer Kultur und Musik hat, kann sich nur schwer dagegen wehren, dass die Füße den Rhythmus mitklopfen wollen oder ein leichter Anflug von Gänsehaut zu spüren ist. Die 35 Sängerinnen und Sänger des Missio Chors verstehen sich als Botschafter für die Vielfalt der Kulturen in Afrika, die Schönheit des Kontinents, die Liebenswürdigkeit und tiefe Religiosität seiner Bewohner. In diesem Jahr wird der Chor 20 Jahre alt.
Ins Leben gerufen wurde das Ensemble von Dr. Renate Geiser. Die Oberärztin an der Missionsärztlichen Klinik hatte bei mehreren Reisen nach Ost- und Westafrika erfahren, wie lebendig und ausdrucksvoll die afrikanische Musik ist. Das sollten auch die Menschen aus Würzburg und Umgebung erfahren. Deshalb rief Geiser im Mai 1994 die Mitglieder des damaligen Klinikchors auf, zur ersten Probe zu kommen. Premiere feierte der Chor dann im Juli beim traditionellen Sommerfest des Missionsärztlichen Instituts. Bald gesellten sich zu den Sängern aus der Klinik auch solche von außerhalb.
Dass auch Afrikaner in einem Chor singen, der nur afrikanische Lieder singt, versteht sich von selbst. Wenn neue Musikstücke ins Repertoire aufgenommen werden sollen, sind Rhythmen möglichst authentisch einzustudieren, sei „echte Arbeit", sagt Geiser, die nicht nur Ärztin, sondern auch ausgebildete Kirchenmusikerin und Sängerin ist. Die afrikanischen Chormitglieder sprechen ihren deutschen Kollegen die Texte vor, bis die richtige Aussprache sitzt. Die neuen Melodien singt Geiser vor, bis alle sie im Ohr haben, denn nicht jeder kann Noten lesen. Dazu kommen noch Tanzschritte, die ebenfalls einstudiert werden müssen. Etwa ein halbes Jahr dauert es laut Chorleiterin, bis ein neues Lied aufführungsreif ist. Rhythmisch unterstützt wird der Chor vom Würzburger TROMMELHAUS-Ensemble, das ihn mit Originalinstrumenten - darunter Sangbas, Talking Drums und Rasseln - begleitet.
,,Kraft tanken"
Zu den „Sprachlehrern" gehört auch Njideka Kömm aus Nigeria, die seit vier Jahren im Chor singt und in ihrer Heimat Mitglied eines Gospelchors war. Wenn Lieder in ihrer Muttersprache lgbo geübt werden, ist sie klar im Vorteil, denn sie weiß, wie die Texte klingen müssen und kann den übrigen Sängern die richtige Aussprache vermitteln. Andere afrikanische Sprachen muss sie aber genau so lernen wie die übrigen Frauen und Männer im Chor. In die Probe, die einmal in der Woche stattfindet, geht sie mit viel Vorfreude. ,,Für mich bringt der Chor ein Stück Afrika nach Würzburg, es ist schön für mich, zu singen, zu tanzen und Kraft zu tanken", sagt Kömm. Wie gut es ist, Afrika zumindest musikalisch nach Würzburg zu holen, hat auch die Stadt anerkannt und gewürdigt. 2013 verlieh sie dem Chor für seinen Einsatz für Völkerverständigung und gegen Armut die Kulturmedaille.
Auch Njideka Kömms Chorkollege Christoph Potschka, der seit 20 Jahren mit von der Partie ist, holt sich beim Singen Kraft für den Alltag. ,,Nach der Probe bin ich richtig gut drauf", bekennt er begeistert. Potschka ist Institutsmitglied und Arzt, hat zwei Jahre in Namibia gearbeitet und dort Afrika kennen und lieben gelernt. An der afrikanischen Musik schätzt er, dass sie ,,Bauchsache" sei und ihm hilft, etwas Abstand von der sonst so ,,verkopften" Welt zu bekommen. Potschka, der schon in anderen Chören gesungen hat, schätzt am Missio Chor auch die Verbindung von Singen und Bewegung. Der Spaß stehe für ihn im Vordergrund, auch wenn der Chor einiges an Zeit in Anspruch nehme und die Chorleiterin vollen Einsatz verlange. ,,Sie macht das mit so viel Herzblut, da wollen wir sie nicht enttäuschen."
Dass Christoph Potschka Recht hat, bestätigt der Besuch einer Chorprobe. Neben dem Treffen der Töne ist rhythmische Bein- und Handarbeit gefragt. Frauen und Männer treten von einem Fuß auf den anderen und klatschen dazu in die Hände. Die ersten sechs Noten von „Bra Jesus Ho" ,,Komm zu Jesus" müssen Tenöre und Bässe einige Male wiederholen, bis Renate Geiser zufrieden ist. Im nächsten Lied wird von Twi, das in Ghana gesprochen wird, zum in Südafrika gesprochenen Sesotho gewechselt. ,,Thapelo tsarona rebineng Hosana" - ,,Hosanna Gott in der Höhe" erklingt es mehrmals vierstimmig, so lange, bis die Chorleiterin zufrieden ist. Intensives und konzentriertes Proben muss sein, ist sie überzeugt. ,,Wenn man einen komplizierten Rhythmus durchhalten will, muss man genau sein, wenn man melodisch singen will, gilt das genauso."
„Musik ist heilsam für Körper und Seele"
Afrikanische Musik macht da keine Ausnahme, auch wenn sie sich von deutscher unterscheidet. ,,Mankann das nicht beschreiben, man muss es erleben", sagt Geiser auf die Frage nach dem Unterschied. Wenn Musik und Gesang allgemein heilsam seien für Körper und Seele, dann gelte das umso mehr für afrikanische Rhythmen und Klänge. Sie mobilisierten positive Kräfte. Wer müde in die Chorprobe komme, gehe danach mit aufgeladener Batterie wieder nach Hause, ist auch Geisers eigene Erfahrung. ,,Wir haben schon viele Menschen kennengelernt, die durch unsere Musik Trost erfahren und Lebensmut bekommen haben." Nach den Messfeiern kämen nicht selten Menschen mit Tränen in den Augen, die sagten, sie hätten lange nicht mehr so intensiv Gottesdienst gefeiert.
Kein Wunder, dass die Nachfrage nach Auftritten in der Kirche groß st. Mehr als 200 Gottesdienste hat der Missio Chor seit seiner Gründung mit dem TROMMELHAUSEnsemble gestaltet. Dazu kommen mehr als 60 Benefizkonzerte. Fünf CDs wurden aufgenommen, 5.000 Stück verkauft. Eine weitere CD ist für dieses Jahr geplant. Als Höhepunkt seiner Aktivitäten bezeichnet der Chor seine Reise nach Kenia und Tansania vor vier Jahren. Gemeinsame Proben und Auftritte mit Partnerchören in Nairobi und Moshi gehörten ebenso zum Programm wie der Besuch der St. Maurus Special School. Die Einrichtung im Slum von Mathare, in der geistig und körperlich behinderte Kinder betreut werden, ist eines von zwei Projekten, die der Chor mit dem Erlös aus seinen Konzerten und dem Verkauf der CDs und Liederbücher unterstützt. Gefördert wird auch die St.Luke Foundation im tansanischen Moshi, die Pharmazeuten ausbildet und Krankenhäuser in mehreren Ländern bei der Herstellung von lnfusionslösungen berät und technisch unterstützt. Das Sammeln von Spenden ist dem Chor mindestens so wichtig wie die Verbreitung afrikanischer Lebensfreude.
Für Barbara Eismann, die seit elf Jahren mitsingt und über ihre Leidenschaft für das Trommeln in den Chor kam, ist gerade diese Hilfe ein wichtiger Teil ihres Engagements im Chor. ,,Dass wir nicht nur uns etwas Gutes tun, sondern auch anderen Menschen", das fasziniert sie. Jede Woche fährt die Grundschullehrerin von Marktheidenfeld nach Würzburg zur Probe, um eineinhalb Stunden später „total entspannt" nach Hause zu kommen. Wie neu geboren fühle sie sich beim gemeinsamen Singen mit Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen und Schichten. Die Reise nach Kenia und Tansania war auch für Barbara Eismann der Höhepunkt ihrer Chorkarriere. Die Begegnung mit den Menschen, ihre Gastfreundschaft und Herzlichkeit hätten ihr geholfen, sich noch besser in die Musik einzufühlen, sagt sie. Das Singen im Chor hat ihr auch Lebensmut gegeben, als sie vor zwei Jahren lebensbedrohlich erkrankte. Weil sie selber nicht Auto fahren konnte, brachte ihr Mann sie zu den Proben. Das habe ihr beim Gesundwerden geholfen. Eismann: ,,Singen ist besser als jede Medizin".
(Elke Blüml, Heilung und Heil 1/2014, Missionsärztliches Institut Würzburg)